Haus zum Maulbeerbaum Landau

Kunst am Bau – OMBRE

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ALTES UMARMEN
Täglich reklamiert sich das Alte in unsere architektonischen Arbeit ein. Die Aneignung des Alten wird als konservativ und rückschrittlich bezeichnet. Ein Stigma dem man sich als „kreativer“ Architekt gerne entzieht. Offensiv sollte der Architekt die Chance nutzen in diese Zeitschichten hineinzuschlüpfen, die damaligen Fragen und bewerten Lösungen aufzuwärmen und sie weiterzubauen. In einer Zeit der Gestaltungshysterie erscheint diese Autorenlosigkeit ein edler Weg zu neuen Ansätzen zu sein. Christian Heuchel Februar 2016

Zur Geschichte des Hauses und des Ortes

Die Geschichte des Ortes spannt einen Bogen von der Gründerzeit der Stadt im letzten Viertel des 13.Jahrhundert über den politisch-religiösen Umbruch beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit bis hin zur jüngeren Zeit als Zeugnis deutsch-jüdischer Geschichte im 19. und 20.Jahrhundert.

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Einst Hof des Ritters Theoderich von Laufensel „Zu dem Mulebaume“, dann im Besitz des Klosters Klingenmünster, kaufte die Stadt 1488 das Anwesen. Sie gestaltete den Hof zur städtischen Herberge und Gastwirtschaft für die Bewirtung ihrer illustren Gäste um. Zu jenen gehörten hochrangige Adelige und gekrönte Häupter wie Prinzessin Elisabeth – Tochter Kaiser Maximilians II, später König Henri III. von Frankreich. Auch die Ritterschaft verkehrte in der „Herberge zum Maulbeerbaum“. Zu Beginn des 16.Jh. war sie mehrfach Versammlungsort von Rittern aus der Region. Als der „Maulbeerbaum“ und seine Nebengebäude 1671 für 200 Jahre in den Privatbesitz der Familie Holtzhauser gelangten, blieb er ein Ort gastwirtschaftlicher Betriebsamkeit.

Historischer Wendelstein in Renaissanceform (Foto: Georg Wechsler, Restaurator)

Unter französischer Herrschaft diente er auch zur Unterbringung von Soldaten und Offizieren oder von Gefangenen, die auf Kosten der Stadt hier einquartiert wurden. Beim Ausbau Landaus zur Festung, der 1689 durch Brandlegung befördert wurde, gehörte das Anwesen zu den vier Ausbruchsstätten des Feuers. Das (wahrscheinlich weitgehend oder ganz) zerstörte Gasthaus wurde neu aufgebaut, erhielt seine heutige Gestalt und der Gebäudekomplex wurde um ein Brauhaus erweitert. Im 19.Jahrhundert konnten sich die Landauer  an unterhaltenden und gelehrsamen Veranstaltungen erfreuen, die im „Maulbeerbaum“ dargeboten wurden. „Exotische“ Tiere und Menschen oder stereoskopische Darstellungen von Landschaften, Städten und Szenen aus Geschichte und Gesellschaft waren zu sehen. 1873 erwarben die Gebrüder Salomon und Joseph Dannheisser,angesehene Mitglieder der jüdischen Gemeinde Landaus, das Anwesen für ihre Lebensmittel- und Spirituosenhandlung.

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(Fotos: Stadt Landau, Büro dury et hambsch architektur)

Die Söhne Salomons, Oskar und Otto, entwickelten diese zu einer modernen und für die Pfalz bedeutenden Kolonialwaren-Großhandlung mit eigener Kaffeerösterei namens „Landavia“. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Lebens-, Futter- und Genussmittel jeder Art sowie aller sonstigen Gegenstände des täglichen Bedarfs. Hierbei diente der Gebäudekomplex einschließlich eines 1914 erbauten massiven dreigeschossigen Anbaus, der im Westen an den „Maulbeerbaum“ heranreicht, als Lagerhaus. Mit von Pferden gezogenen Planwagen, ab 1919 mit Lastkraftwagen, wurden das Gebiet von Landau bis Zweibrücken, das nördliche Elsass und Nordbaden beliefert. Zwischen 1896 und 1922 wurde auch die Tradition des Gastbetriebes im Erdgeschoß des „Maulbeerbaums“ wieder aufgenommen und zur beliebten Einkehr der Landauer Marktbesucher. Und wenn auch nur für kurze Zeit erhielt Landau – mit Blick auf die gewachsene Zahl jüdischer Bürger – ein Café mit Billard und „koscherem Essen“ im ersten Obergeschoß. Um es nicht dem endgültigen Verfall preiszugeben und seinen Abriss zu verhindern, gründete sich 2011 der „Verein der Freunde des Hause zum Maulbeerbaum“.

Aus DR. MARIE-LUISE KREUTER 13.12.2014